Rentenpolitik Bundestag berät über höchste Rentenanpassung seit 1994
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Im April hat die Ampel-Regierung die höchste Rentenanpassung seit 1994 beschlossen. Im Osten sollen die Renten demnach ab Juli um 6,12 Prozent, im Westen um mehr als fünf Prozent steigen. Der Gesetzesentwurf wurde am Freitag nun erstmals im Bundestag diskutiert.

- Bei einer Standardrente bedeutet der Anstieg circa 91 Euro mehr für Ostrentner.
- Wer seit 2001 eine Erwerbsminderungsrente erhält, bekommt einen Zuschlag.
- Der wiedereingeführte Nachholfaktor sorgt jedoch dafür, dass die Anpassung niedriger ausfällt.
Die jährliche Rentenanpassung fällt dieses Jahr hoch aus – so hoch wie die Rente seit 1994 nicht mehr gestiegen ist. Das geht jedenfalls aus einem Gesetzesentwurf der Ampel-Regierung vor, der Mitte April von ihr beschlossen und am Freitag im Bundestag besprochen wurde. Der Gesetzentwurf zur Rentenanpassung wurde nun zur weiteren Bearbeitung in die Ausschüsse verwiesen.
Ostrenten steigen auf 98 Prozent des Westniveaus
Konkret sollen die Renten im Osten zum 1. Juli um 6,12 Prozent steigen und im Westen um 5,35 Prozent. Die Renten im Osten würden damit 98,6 Prozent des Wertes der Renten im Westen erreichen. Mit Blick auf die Standardrente, die 2021 bei rund 1.500 Euro lag (im Westen etwas höher als im Osten), wurde das eine monatliche Erhöhung von circa 80 Euro im Westen und rund 91 Euro im Osten für Rentner und Rentnerinnen bedeuten. Bei der Standardrente handelt es sich um den Betrag, den ein Rentner bekommt, wenn er 45 Jahre lang gearbeitet und dabei das Durchschnittseinkommen verdient hat.
Heil: Anpassung sei Ergebnis der Lebensleistung
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil betonte, die kräftige Rentenerhöhung sei "kein Gnadengeschenk des Staates", sondern das Ergebnis von Lebensleistung. Zudem sei sie auch ein wichtiger Faktor für die Stabilität des deutschen Sozialsystems. Mit Blick auf die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine mahnte Heil, dass die äußere Sicherheit nicht zulasten der sozialen Sicherheit im Inneren gehen dürfe.
Zuschläge und Anpassung bei Erwerbsminderungsrente
Neben der Anpassung der Altersrente soll auch die Erwerbsminderungsrente erhöht werden. Die drei Millionen Beziehende von Erwerbsminderungsrenten sollen ab 2024 bis zu 7,5 Prozent mehr Geld bekommen.
Bei der Erwerbsminderungsrente gab es bereits in der Vergangenheit Verbesserungen, die aber nur für Neurentner galten. Das soll sich nun ändern: Bei wem die Erwerbsminderungsrente im Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis 31. Dezember 2018 begonnen hat, erhält mit der Anpassung ab dem 1. Juli 2024 einen pauschalen Zuschlag zur Rente. Die Höhe des Zuschlags ist jedoch an den individuellen Starttermin der Leistung geknüpft.
Linke und Grüne fordern Nachbesserung
Dieses Vorhaben kritisierten jedoch Parlamentarier mehrerer Parteien, die Nachbesserungen forderten. Die Zuschläge seien viel zu niedrig und zu spät, kritisierte der Linkenpolitiker Matthias Birkwald. Er kündigte einen Änderungsantrag seiner Partei an. Auch Frank Bsirske von den Grünen betonte, dass im weiteren Verfahren am Auszahlungszeitpunkt der Zuschläge für Erwerbsminderungsrenten noch einmal nachgearbeitet werden müsse. Am Freitagnachmittag haben Vertreterinnen und Vertreter der Koalition bereits mögliche Nachbesserungen am Rentenpaket in Aussicht gestellt.
Nachholfaktor senkt Rentenanstieg
Sozialverbände kritisieren zudem, dass die Rentenerhöhung nicht annähernd die aktuelle Inflation ausgleicht. Das Plus wegen der in 2021 deutlich gestiegenen Löhne hätte eigentlich höher ausfallen müssen. Allerdings greift in diesem Jahr wieder der sogenannte Nachholfaktor: Der regelt gesetzlich, dass die Rente auch dann stabil bleibt, wenn es eigentlich wie 2021 rein rechnerisch eine Absenkung hätte geben müssen. Er bewirkt aber auch, dass die vermiedene Rentenkürzung aus dem vergangenen Jahr nun vollständig nachgeholt wird.
Nachholfaktor war 2018 ausgesetzt
Der Nachholfaktor war von der Großen Koalition im Jahr 2018 ausgesetzt worden. Die Ampel-Regierung hat sich aber darauf verständigt, ihn wiedereinzuführen. Das ist der Hauptgrund, dass jetzt der Gesetzesentwurf im Bundestag beraten wird. Hätte es sich nämlich nur um eine Rentenanpassung gehandelt, hätte eine Verordnung von Bundesregierung und Bundesrat ausgereicht.
Die FDP-Politikerin Anja Schulz verteidigte den Nachholfaktor und mahnte mehr Generationengerechtigkeit bei der Rente an. Die Debatte um die Rentenanpassung sollte nicht zulasten der jüngeren Generation geführt werden. "Wir müssen endlich aufhören, die Debatten und den Willen, es allen recht zu machen, immer auf dem Rücken der jüngeren Generation auszufechten", sagte sie im Bundestag.
MDR/KNA/AFP (sra)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 13. Mai 2022 | 09:47 Uhr